
Es gibt Sehenswürdigkeiten, die sollte ein Tramper nicht verpassen. Ich bin deshalb sehr froh, auf meiner Reise von Brüssel in die Heimat sowohl den berühmten Eupener Kreisverkehr, als auch die LKW-Zollstation zwischen Belgien und Deutschland mit eigenen Augen gesehen zu haben. Ich trampe in kleinen Sprüngen: Als ich die Grenze erreiche, ist es bereits später Nachmittag; Belgien will mich offenbar nicht hergeben.


Doch auch mein Heimatland hat sich für meine Rückkehr etwas einfallen lassen: Regen, und zwar kräftigen. Auf einem Rasthof vor Köln schleiche ich an einer Tankstelle umher und frage Autofahrer, ob sie zufällig nach Süden müssen. Und wirklich treffe ich auf Markus, einen Ingenieur aus Ingolstadt, der mich mitnimmt.
Während wir durch die Schauer kreuzen, bin ich hin- und hergerissen. Eine Rückkehr nach München am späten Abend scheint möglich, doch die Vorstellung, in meinem eigenen Bett aufzuwachen, befremdet mich, ja macht mir sogar Angst. So entscheide ich mich, in meiner alten Studentenstadt Halt zu machen, zumal ich dort auf eine Party eingeladen bin. Leider unterschätze ich den Weg von der Ausfahrt Randersacker in die Stadt, befürchte kurz, auf immer in einer Brückenbaustelle zu verschwinden und bahne mir mit meiner Smartphone-Taschenlampe den Weg am Main entlang. Es ist kalt geworden, würde ich etwas sehen, wäre es wahrscheinlich mein Atem, der bereits als Dampf in die Nacht entschwindet.

Ich überlege, was meine Fahrer wohl gerade in diesem Augenblick, an diesem Freitagabend machen. Die meisten könnten wahrscheinlich nicht verstehen, wie sich ein einfacher Tramper solche seltsamen Gedanken machen kann, aber im Laufe meiner Reise haben sich die Menschen, die ich getroffen habe, zu einem eigenen Universum verwoben, eines, das hier nur andeutungsweise beschrieben werden konnte – so wie unsere Sternkarten nur einen Ausschnitt des Weltalls zeigen können. Dieses neue, zerbrechliche Universum zu verlassen und in das Leben zurückzukehren, das „richtig“ zu nennen falsch wäre, wird vielleicht der härteste Part dieser Reise. Auf der Party fühle ich mich denn auch zunächst wie ein Außerirdischer, wieder so viele deutsche Stimmen auf einmal, so viel Zivilisation. Eine Angst reißt an mir, die vielen kleinen Erinnerungen und Momente zu verlieren, weil mein Gedächtnis nun wieder mit den Dingen des Alltags verstopft wird.
Am Ende wird es dennoch ein angemessener letzter Abend für diese Reise, besonders gut gefällt mir der Moment, in dem ich einem angehenden Lehrer in bester Hippie-Manier Lebensratschläge gebe, woraufhin dieser sich verabschiedet, um in die Büsche zu kotzen. Als ich mein Lager aufschlage, dämmert im Osten bereits die Sonne. Der letzte Bloggertramp-Tag ist angebrochen. Es wird nicht das Ende der Straße sein, das ich heute erreiche. Der wirkliche Weg in die Wildnis hat gerade erst begonnen.
