Blüte der Chili-Schoten

In Bloom (CC, Att-Sh-Alike)

Es ist bereits dunkel, als ich bei meinem Couchsurfing-Gastgeber R. ankomme. Ich habe – wieder einmal – großes Glück: Er wohnt direkt im Zentrum, ich muss also nicht noch lange Wege mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen. Das imposante Haus, in dem er wohnt, hat die Größe eines kompletten Blocks, vor den Wohnungseingängen sind noch einmal extra abgeschlossene Gittertüren angebracht.

Als ich hereinkomme, gießt der Herr der Wohnung gerade seine Chili-Schoten, nebenbei läuft ein Laptop mit einer Serie. R. ist schlaksig, seine kurzen Hosen betonen die langen Beine noch zusätzlich, beim Laufen federt er so locker, dass es beinahe etwas ungelenkt wirkt. Ich habe nicht  viel Zeit für R., da ich mich mit zwei Bekannten in der Stadt treffe – was mir ein ziemlich schlechtes Couchsurfer-Gewissen macht, zumal R. im Gespräch seine ziemlich trockene Weltsicht mit einem unwiderstehlichen australischen Akzent darlegt. So behauptet er, die polnische Sprache nicht zu lernen, weil sie „in jeder Rangliste unter den drei schwierigsten Sprachen der Welt liegt“. Seine Arbeit nimmt er nicht allzu ernst: „Ich arbeite nicht, ich unterrichte hier ein bisschen Englisch“, sagt er.

R. ist weder glücklich, noch unglücklich, dass er hier lebt: Er zog nach Warschau, um eine hier lebende Freundin zu trösten, deren Freund sich von ihr getrennt hatte. „Ich reiste geradedurch Deutschland und hatte nichts zu tun“, sagt er. Als ich frage, ob die Freundin immer noch hier lebt, antwortet er trocken: „Ja, und sie hatte inzwischen vier oder fünf Freunde.“

Belagerung bei Nacht (CC, Attr-Share-Alike)

Leider habe ich keine Zeit für ein tieferes Gespräch, weil ich zum Präsidentenpalast muss, wo meine Bekannten auf mich warten. Der Vorplatz des prächtigen Gebäudes ist aufgrund der Kreuz-Kontroverse inzwischen abgesperrt, auf der einen Seite steht die Polizei, auf der anderen Demonstranten. Zwischendurch kommt es immer wieder zu lautstarken Debatten zwischen Passanten, Demonstranten und denen, die sich einfach dazugestellt haben, um zu diskutieren. Inzwischen, so erzählen mir meine Bekannten, versucht der Gründer des radikal-katholischen Senders Radio Maria die Proteste zu eskalieren. „Er hat eine Art Armee, die hier immer aufläuft. Eine Armee, die vor allem aus alten weißhaarigen Frauen besteht.“

Warschau bei Nacht (CC, Attr. Share-Alike)

Als ich ein paar Stunden später zurückkehre, gießt R. Gerade wieder seine Pflanzen. Er scheint ähnlich fixiert darauf wie auf den Wunsch, keine unnötige Energie zu verschwenden. Schon vorhin hatte er das Licht in der Küche (in der meine Couch steht) ausgemacht, obwohl nur kurz im Gang stand, um mit ihm zu plaudern. Als ich beim Zähneputzen kurz das Bad verlasse, um meditativ aus dem Fenster zu sehen, springt er aus seinem Zimmer und knipst hinter mir das Licht aus. Die Mischung aus trockenem Humor, australischem Akzent und energetischer Pedanterie hätte ich gerne noch näher kennengelernt. Leider ruft am Samstagmorgen bereits wieder die Straße.

Tag 6: Lerne die Konkurrenz kennen

Abgezockte Trampveteranin (CC, Attr-Share-Alike)

Nach sechs Tagen würde ich heute zum ersten Mal von einem normalen Tag auf der Straße sprechen. Was bedeuten könnte, dass ich inzwischen Routine habe. Nach der gestrigen Fahrt bin ich etwas sensationsverwöhnt, ich gebe es zu, was aber Begegnungen wie mit Sebastian, der mich etwa hundert Kilometer Richtung Warschau mitgenommen hat, nicht weniger wertvoll macht.

Sebastian ist Grafikdesigner, hat in Lodz studiert (wo im Sommer David Lynch residiert und auf der Prachtstraße beim Kippenrauchen anzutreffen ist, wie er mir erzählt) und wohnt nun in Krakau. „Krakau“, sagt er, „ist inzwischen viel zu sehr Partystadt geworden“. Wer hier abends durch die Straßen geht, kann ihm nur zustimmen.

Angenehme Typen auf der Schnellstraße (all rights reserved)

Leider kann ich außer Zustimmung nur wenig zur Konversation beitragen, zwischenzeitlich treibt mir die Müdigkeit die Tränen in die kleinen roten Augen. Ich bin inzwischen auch an einem Punkt, wo die Rastlosigkeit in manchen Momenten auch ein Gefühl der Ziellosigkeit entstehen lässt. Oder ist es etwas anderes? „Ich bin heute das erste Mal seit zwei Monaten daheim“, erzählt Sebastian, der seine Mutter besucht. „Und jetzt, wo ich die Umgebung wieder erkenne, merke ich, wie sie mir gefehlt hat.“ Könnte es sein, dass mich nach knapp einer Woche das erste Mal ein Gefühl des Heimwehs erreicht, das Bewusstsein eines Mangels der digitalen Kommunikation mit den Menschen, die mir etwas bedeuten? Die Erkenntnis, dass ich trotz des Blogs nur einen Bruchteil meiner Gedanken und Eindrücke schildern kann?

Ich kann diese Frage noch nicht beantworten, denn auch heute finde ich mich in Situationen wieder, die ich mir vorher nicht hätte ausmalen können. Schon bevor mich Sebastian aufgegabelt hatte, hatte ich erstmals an einer Stelle mit einer Konkurrenztramperin gestanden: Eine etwa 45-50jährige Frau mit einer Handtasche.

Ein harter Kampf auf Polens Straßen (CC, Att-Share-Alike)

Beim ersten Mal hatte ich noch im Grasgraben gewartet, bis sie eine Mitfahrgelegenheit gefunden hatte, doch als mich mein Fahrer 100 Kilometer vor Warschau aussteigen lässt, treffe ich auf eine ganze Gruppe von Trampern, die alle mit ihren Händen auf- und abwedeln (das polnische Anhalterzeichen).

Tradition verpflichtet (CC, Att-Share-Alike)

Ich muss mich den Kampf stellen, doch die Profis sind mir haushoch überlegen: Als ich von einer kurzen Pinkelpause wiederkomme, ist ein Großteil bereits unterwegs – nur eine ältere Dame im roten Kleid wartet noch. Ich stelle mich dem Duell: Ein Trucker fährt auf uns zu, bremst und hält an – vor der Dame. Sie steigt ins Führerhaus auf und winkt mich dazu. Ich springe rein, ziehe mit Mühe meinen Rucksack in die Kabine um dort zu erfahren, dass die Fahrt garnicht nach Warschau geht. Ich springe wieder ab, die rote Lady hat mich vernichtend geschlagen.

Wenig später finde ich dennoch den Weg in die Hauptstadt: Ein älterer Herr mit schütterem Haar, rotem Kopf und rotstichiger Sonnenbrille nimmt mich mit. Er hat ein Funkgerät dabei und die Sprüche, die er dort absetzt, erscheinen mir eher gelallt als gesprochen. Wir verständigen uns mit Händen und Füßen, wobei sich herausstellt, dass er bereits seit 20 Stunden unterwegs ist, was er mit genau der wegwerfenden Handbewegung begleitet, die er eigentlich bei jedem Thema einsetzt.. Als ich ihm von meinen Reiseplänen erzähle, setzt er sofort seine Kumpels per Funk davon in Kenntnis „Tourista“, „Monachium“ (das polnische Wort für München), „Oslo“ höre ich heraus. Die wegwerfende Handbewegung bleibt aus. Vielleicht glaubt er mir aber auch einfach nicht.

Kurze Orga-Anmerkung: Da samstags keine LKW fahren, werde ich es wahrscheinlich nicht bis nach Litauen schaffen. Ich plane deshalb, erst einmal Suwalki im Norden Polens anzusteuern. Danzig wäre auch toll, aber wegen Kaliningrad ziemlich schwierig, von dort wegzukommen. Ich rechnet damit, dass die baltische Route etwas länger als geplant dauern wird. Wahrscheinlich lautet der Plan deshalb: Suwalki – Kaunas – Riga – Tallinn. Das wären vier Tage und ich wäre erst Mittwoch in Skandinavien, und damit nicht wie geplant zur Halbzeit in Oslo. Wir werden, das hier ist ja kein Rennen und der harte Teil der Tour kommt noch.

Guten Morgen, Krakau

Hier ein paar Eindrücke aus Krakau, wer wissen möchte, wie ich hierher gekommen bin, sollte „Tag 5: Zum Tee zu Gast“ lesen.

Schatten in der Morgenluft
Tramper mit Schutzengeln (CC, Att-Share-Alike)
Trompeter ist beim Frühstück (CC, Attr.Sh-Alike)
Polens Kreuz mit dem Kreuz
Seelenfänger (CC, Att-Sh-Alike)

Auf meinem Rundgang habe ich dann auch noch Michal getroffen, einen Studenten aus Danzig. Er geht heute auf ein Festival in Krakau, bei dem u.a. Muse und die Chemical Brothers spielen. „This is even more  beautiful than Gdansk“, gibt er sich in gebrochenem Englisch entrüstet, „but I think I have seen all in three hours.“ Am Ende machen wir noch ein Bild zusammen. Wenn ich einmal eine Skateboard-Gang gründe, dann mit Michael zusammen.

Tag 5: Zum Tee zu Gast

Ein Tramper schnorrt sich durch (by me, all rights reserved)

Ich habe es nach Krakau geschafft, und wenn ich mir die Strecke mit ihren Kurven und Hügeln ansehe, kann ich mich nur wundern. Das war in jedem Falle kein Katzensprung, die vielen Tramper, die in der Slowakei an der Straße standen, geben ein Zeichen davon.

Hierher zu kommen, habe ich zwei Menschen zu verdanken. Einer davon ist Jusztusz. Er gabelte mich in Budapest auf, nachdem ich bereits mehrere Kilometer entlang des Autobahnzubringers unterwegs gewesen war. Mit ihm ging es ein Stück auf der M 2 entlang, der ungarischen Autobahn, die diesen Namen nicht wirklich verdient: Über viele Strecken eine einzige Spur, dazu kamen uns noch Fahrräder und Fußgänger entgegen. Wahrscheinlich ist das eine ungarische Tarnung, mit der die EU-Bürokraten während der Beitrittsverhandlungen von der Qualität des Straßennetzes überzeugt werden sollten. Ein Ausbau ist auch nicht in Sicht: Die Slowakei und Ungarn  verstehen sich auf politischer Ebene unabhängig von den politischen Parteien nicht. Da lässt man lieber den Schwerverkehr einspurig dahinkriechen.

Zwei Spuren? Nicht doch. (CC, Att-Sh-Alike)

Als mich Justusz an einer Bushaltebucht (!) an der „Autobahn“ absetzt, dauert es keine fünf Minuten, da hält bereits ein LKW. In ihm sitzt E.. Warum ich ihn so nenne, werde ich gleich erklären. Zunächst aber einmal habe ich wieder Glück: E. Ist Türke, spricht aber fließend deutsch, weil er bis zum Teenageralter in Deutschland gelebt hat. Glückskind, Teil II: E. Ist auf dem Weg nach Polen und durchquert Krakau.

Die kommenden Stunden werden sehr lustig, aber auch relativ privat. Ich habe mich deshalb entschieden, E.’s vollen Namen nicht zu nennen (den entsprechenden Tweet habe ich auch gelöscht, die Initiale ist zufällig gewählt) und kein Bild mit ihm zu zeigen.

Wie dem auch sei: E. hat viel zu erzählen, von Deutschland, von seinem Leben, davon, wie er häufiger Tramper mitnimmt. Er hat Frau und Kind in der Türkei, ist aber mehrere Wochen nacheinander unterwegs. Sein jüngstes Kind hält ihn für einen Fremden, weshalb er in ein, zwei Jahren mit dem Fahren aufhören möchte – dann hat er das Geld zusammen, um sein Haus fertig zu bauen. An seine Zeit in Deutschland erinnert er sich gerne, seinen Schulfreund  … sucht er immer noch. „Ich habe schon überall geguckt, auch auf Facebook, es gibt zu viele mit dem Namen“, klagt er. Ich schlage vor, nach der Schule zu suchen, worauf E.lachend entgegnet: „Wir waren auf einer Schule für Lernbehinderte, das wird er kaum ins Internet stellen.“

Kein Verkehrsfunk, der uns gewarnt hätte (CC, A-S-Alike)

E. redet so viel, dass er in einer ungarischen Ortschaft eine Radarkontrolle übersieht. Der Polizist will ihn in Forint abkassieren, die Währung hat E. aber nicht dabei. Nach einer kurzen Diskussion steckt er dem Beamten 20 Euro zu, was die Hälfte von dem ist, was er normalerweise hätte bezahlen müssen. Korruption, erzählt E., ist auf vielen Autobahnen Südosteuropas gang und gäbe. In Bulgarien und Rumänien würden Autobahnpolizisten immer fünf Euro Wegzoll verlangen. In den Bergen der Slowakei hat der Räumungsdienst eine raffinierte Methode entwickelt: Beim Schneefall bremsen die Schneepflug-Trucks bergauf einfach den LKW hinter sich aus, worauf dieser nicht mehr anfahren kann und steckenbleibt. Ein paar Minuten später kehrt der Räumdienst von oben zurück, um scheinheilig anzubieten, den Truck für 50 Euro hochzuschleppen.

Es ist angerichtet (all rights reserved)

An der Grenze zwischen Ungarn und der Slowakei machen wir eine Rast und treffen auf fünf andere türkische Fahrer. Auf einer Pfanne kochen sie ein ziemlich scharfes wie leckeres Gericht mit Fleisch und Lauch (ich beschränke mich auf den Lauch) und lassen mich natürlich am Mahl teilhaben. Ich verstehe kein Wort von dem, was sie reden, aber es geht wohl um Vorkommnisse auf der Autobahn und Fußball. Bevor es weitergeht, trinken wir noch einen Tee. Schnell lasse ich mir zum Abschied von E. die türkische Übersetzung für „vielen Dank“ zuflüstern und schon geht es weiter.

Seitenfensterblick, verweile doch (CC, Attr-Share-Alike)

Wer die Slowakei Richtung Polen durchquert, muss zwei große Berge überwinden. Immer wieder preschen Autos mit waghalsigen Überholmanövern auf der einspurigen Straße vor. Wir fahren über unzählige Flüsse, um uns herum dunkle Berge mit Nadelwald und ab und an eine Radarkontrolle auf der Strecke. E. Und ich diskutieren über Gott und die Welt, sogar im Wortsinne: E. Glaubt daran, dass der Islam einmal die einzige Religion auf der Welt sein wird. Dies steht im Koran geschrieben, gibt er sich überzeugt, ebenso wie die Erfindung des Fernsehers, des Internets und der Homo-Ehe. Bei näherer Nachfrage stellt sich heraus, dass er diese gewagte Medien-Theorie aus dem Fernsehen hat – ihn davon abzubringen, wäre dennoch hoffnungslos.

Wanderer, willst Du nach Polen

Ein paar Mal erzeugen seine Geschichten auch Entsetzen bei mir. So erzählt er davon, wie einmal serbische Polizisten vor seinen Augen einen Zigeuner totgeschlugen und ihn dann einen Abhang hinunter warfen. „Es ist richtig, dass die das dürfen, wer aufmuckt, gleich plattmachen“, sagt er.  Ähnlich grauenhaft ist die Schilderung seiner Militärzeit in den Kurdengebieten, eine Volksgruppe, auf die er alles andere als gut zu sprechen ist.  Auf der anderen Seite begreife ich durch seine Geschichten auch, wie Fernfahrer ein Doppelleben führen können, ohne dass es sich so anfühlen muss. Auch über Mentalität und Physis verschiedener Frauen der Region erhalte ich ausgiebig Auskunft.

Rübermachen (CC, Attr-Share-Alike)

Nach einem Kaffee an der malerischen Grenze zu Polen, wo die Autobahnpolizei nach E.’s Ansicht türkische LKW sehr gerne stoppen und die Fahrer schickanieren, rollen wir unter dicken Regenwolken Richtung Krakau. Die restliche Zeit verbringe ich damit, die Sicherheitseinstellungen seines Laptops zu verbessern, was sich allerdings bei einer türkischsprachigen Oberfläche als ziemlich schwierig herausstellt. Zwischendurch legt sich E. den Computer aufs Lenkrad, das er mit einer Hand bedient, während er ein Auge auf den Bildschirm, ein anderes auf den Verkehr hat. Bei Sonnenuntergang schmeißt er mich an einer Bushaltestelle am Autobahnzubringer von Krakau raus. Ich bin in seinem Haus jederzeit willkommen, er verspricht, bald einen München-Besuch einzuplanen.

Krakau und ein weiterer Pfadfinder hinter der Kamera

Ein bisschen Kerouac


Es ist eine Jack-Kerouac-Situation und ich muss sie aufschreiben, denke ich mir. Weil ich zu spät vom Abendessen gekommen war (wer konnte ahnen, dass im ersten Stock des Restaurants eine englische Cricket-Juniorenmannschaft gerade bestellt hatte) und nur noch die amerikanische Bikerin (offenbar mit Hang zur Internetsucht) in der Küche saß, bin ich nun alleine auf einem kleinen Sommerfestival gelandet.


Draußen sitzen die Menschen im Park, in einer Unterführung spielt eine Jazz-Band. Ich kauere an der Wand, neben mir sitzen zwei Pärchen, die wie alle hier Wein aus Flaschen trinken. Zwar spielt die dreiköpfige Band keinen Bebop (worüber ich auch froh bin), sondern landestypisch eine melancholische Melodie, doch kann ich in diesem Moment ein bisschen erahnen, warum Jack Kerouac beim Besuch der Jazz-Clubs auf dem Weg durch Amerika immer das Gefühl hatte, heimzukommen.

Doch Kuhn ist nicht Kerouac, offenbar sind wir beim letzten Lied angelangt. Die Band beendet ihr Set unter spärlichem Applaus und die Menschen drängen hinaus und spülen auch mich wieder an die Oberfläche. Orientierungslos suche ich einen Sitzplatz an einer Wasserfläche. Heute Abend ist wirklich Sommer, immer noch, auch wenn er langsam ausbrennt. Das überraschend gleichmäßige Geräusch von Gesprächen und Gelächter umgibt mich, nur ab und an klappern die Holzdielen, auf denen ich sitze, wenn ein paar Fahrräder darüberfahren. Ein kleiner gestörter Hund wetzt an mir vorbei, eine Plastikflasche im Maul zerbeißend.

Ein dunkelhaariges Mädchen, so um die 20, setzt sich neben mich, das Handy am Ohr. Sie hängt ihre rot beschuhten Füße auf die Wasseroberfläche und trippelt leicht, so dass es plitsch-platsch macht. Als sie aufgelegt hat, dreht sie sich zu mir um und fragt mich etwas. Ich verstehe natürlich nichts, woraufhin sie nochmals in gebrochenem Deutsch fragt: „Bist Du traurig?“.

Da ist es wieder, mein Problem: Große blaue Augen, ein Hang zum Phlegma und russische Vorfahren führen immer wieder dazu, dass offenbar selbst der neutralste Silvester-Stalone-Gedächtnisblick traurig wirkt. Vielleicht bin ich aber auch wirklich melancholisch, weil mich heute Abend das Gefühl beschleicht, ab morgen langsam dem Herbst entgegen zu trampen. Oder merkt man mir den unangenehmen Schmerz an, den meine vier Blasen an den Füßen verursachen?

Ich versuche, es mit den großen Augen zu erklären. Sie scheint es mir nicht ganz zu glauben, weshalb ich sie meinerseits nun frage: „Bist Du glücklich?“ Sie zieht die Augenbrauen nach unten und wiegt ihre Hand in einer Zweifelsgeste hin und her. „Boys“, sagt sie nur, und ist bereits wieder in der Dunkelheit verschwunden. Erstaunt bleibe ich zurück. Vielleicht sind das die wahren Kerouac-Momente. Ich berühre mit meinen Schuhsohlen leicht die Wasseroberfläche und höre dem leisen Plitsch-Platsch zu. Auf den Weg zurück zum Hostel verschenke ich meine restlichen Forint an ein paar Obdachlose, ihre vom Alkohol ausgemergelten Gesichter zeigen gleichgültige Dankbarkeit.

Tag 4: Budapester Bilderbogen

Tramper im Selbstportrait (by me, CC, Att. Share-Alike)

Statt Autobahnen habe ich heute die Straßen Budapests kartographiert. Weil es im Netz schon genug Bilder der Sehenswürdigkeiten gibt und meine Handykamera nicht so viel hergibt, habe ich bei der Bildauswahl einen etwas anderen Ansatz gewählt: Auf den Fotos seht Ihr kleine Details des Stadtlebens, die mir auf meinem Weg begegnet sind. Alle Bilderlaufen unter der CC Attribution Share-Alike Lizenz.

Morgen geht es dann wieder auf die Straße, ich hoffe, bis Krakau zu kommen – wir werden sehen, wie optimistisch das geplant ist.

Vorsicht, Wasser!
Man kennt sich.
Etwas fehlt.
Kniefreies Erstaunen
Bitte zuordnen: Echtes und gespieltes Erstaunen.
Yes, we can.
Breaking the lawn, breaking the lawn
Selbstbedienung
Begegnung im Schatten
Das fünfte Gebot

Malaria-Alarm in Budapest

Nachts sind alle Burgen golden (CC, Attribution-Share-Alike)

Heute bleibt der Daumen in der Hosentasche, denn ich habe beschlossen, mir Budapest anzusehen (und die erste Waschrunde einzulegen). Das passt auch in die Wetterplanung: Derzeit regnet es noch in Warschau, das ich jetzt für Freitag anpeile, wo das Wetter wieder besser sein soll.

Ich logiere im Red Bus, das ich empfehlen kann. Ist nicht das preiswerteste, dafür aber vielleicht das schnuckigste Hostel (sagen zumindest die ungarischen Bewertungen, ich hab gestern den Barmann nachschauen lassen) Budapests. Alleine der Innenhof…

Das Schöne an Hostels ist, dass sich hier die Wege von Reisenden kreuzen, bevor sie in verschiedene Richtungen auseinandergehen. Von gestern auf heute waren auf diesem Fleck versammelt: Drei junge Australierinnen, die sich auf einer Europareise befinden, deren krönender Abschluss das Münchner Oktoberfest sein soll (wenn jemand zwei von ihnen aufnehmen will, kann er ja einen Kommentar hinterlassen). Eine schwergewichtige Amerikanerin aus Manhattan, die mit dem Motorrad durch Europa fährt (und ihr Gefährt dafür extra einschiffen ließ). Ein französisches Pärchen, das ebenfalls per Anhalter unterwegs ist und mit denen ich gestern noch ein bisschen unterwegs war. Anders als im Bild, haben sie in Wirklichkeit Augen.

Hypnoseblicke auf der Donaubrücke (alle Rechte vorbehalten)

Die beiden haben mich überlegen lassen, ob ich nicht ein Buch über urbane Trampermythen schreiben sollte. Ihr Beitrag dazu: Die Stechmücken am Plattensee verbreiten Malaria. Zuerst habe ich gelacht, bin ich doch selber kräftig verstochen. Heute früh musste ich allerdings bereits zwei Mal nießen. Ich befürchte Schlimmes…

Zum Abschluss noch ein Rätsel. Was ist das hier?

Finde den Einkaufszettel (Foto by me, CC, Attribution-Share-Alike)

Auflösung: Eine Bar, in der alle Besucher mit Reißzwecken Zettel an die Decke heften können. Von Münchner U-Bahn-Karten über Passfotos bis hin zu kleinen Kontaktanzeigen findet sich dort alles. Der Laden heißt „For Sale Pub“, falls jemand mal vorbeikommen sollte.

Schummrigkeit verträgt keinen Fotoblitz (CC, Att-Sh-Al)

Kleiner Hinweis zum Schluss: Falls dieses Blog künftig verwaist sein sollte, bin ich Straßenmusiker geworden. Die ganze Stadt ist voll davon, da dürfte es doch für Maultrommelkünstler u.ä. einen Bedarf geben, oder?

Karaokefreie Zone (CC, Attr-Sh-Alike)

Tag 3: Mit Händen und Füßen

Vorne: Mein Kopf. Im Hintergrund: Budapest.

Internetpause vor dem Monyò Café, während der Verkehr an mir vorbeirauscht. Was das Bild (vorhin aufgenommen, auch mit Verkehr) nicht zeigt, weil mein großer Kopf die Brücke verdeckt: Ich bin in Budapest.

Der Weg dorthin war durchaus beschwerlich, aber reizvoll. Zur Verständigung kam erstmals mein Büchlein zum Einsatz, mit dessen Hilfe ich Daniel und Laszlo erklärt habe, welche Route ich bis September noch nehmen werde. Zuvor hatten mich die beiden von einer Tankstelle in der Nähe des Plattensees aufgegabelt, wo ich schon damit gerechnet hatte, bis abends warten zu müssen.

Da kommt kein Auto mehr hin, fährt die Tram nicht mehr hin (CC, Share-Alike)

Tankstellen am Rande der Autobahn scheinen in Ungarn komplett unbrauchbar, um vom Fleck zu kommen. Mein Glück: Nachdem Daniel und Laszlo mich rauswerfen, gehe ich einfach zu einem Transporter, der hinter uns steht. Und siehe da: Prompt geht es weiter. Am Steuer sitzt Djobo (ich habe keine Ahnung, ob er sich wirklich so schreibt); seine Ladung: Feinstes Speiseeis aus der Fabrik seiner Eltern (vielleicht sagen jemandem „Ice and Go“ oder „Magic Ice“ etwas), Doch während hinten im Transporter -40 Grad herrschen, sind es vorne so um die +35, weil die Klimaanlage kaputt ist. Djobo spricht übrigens deutsch, weil er früher in Österreich gearbeitet hat. „Schlechtes Benzin, schlechte Autos – wir Ungarn kriegen bei allem das Schlechteste“, schimpft er beim Tanken (Ungarisches Benzing -> 1,5 Liter mehr Verbrauch auf 100 Kilometer). Als er mich rauswirft, muss ich nur die Straßenseite wechseln, mein Schildchen hochhalten und schon nimmt mich Robert mit.

Unterwegs (im Spiegel: Daniel. Alle Rechte vorbehalten)

Er spricht leider, wie einige Ungarn, keine Fremdsprache. So kommt es zu einem folgenschweren Missverständnis: Ich glaube, er fragt mich, ob ich zum Sziget-Festival fahre (worauf ich gestenreich verneine, denn das ging am Montag zu Ende) – kurz vor Budapest stellt sich heraus, dass er mir erklären wollte, dass er nach Szeged im Süden des Landes unterwegs ist.

Er will mich direkt AUF dem Autobahnkreuz rauslassen, was ich ihm (wiederum gestenreich) ausrede. Er versucht, mir auf dem Navi seinen weiteren Weg zu erklären, was etwas bizarr anmutet, denn der eingebaute MP3-Player scheppert derweil Metal-Lieder (ich hatte aus Höflichkeit den Daumen nach oben gestreckt, als er mich nach Heavy Metal fragte – woraufhin Robert wohl aus Höflichkeit die Lautstärke kräftig aufdrehte). Am Ende verlasse ich ihn in einem Vorort  von Budapest, steige in die einfahrende Bahn, werde von einer Fahrkartenkontrolleurin ignoriert (ob mein Tramper-Bart bereits für Furcht sorgt?) und lande im Herzen Budapests.

Die Lichter der Markthalle (CC, Att-Share-Alike)

Und was soll ich sagen: Die Stadt ist einfach ein Traum. Allerdings bleibt mir zum Träumen keine Zeit, denn es gibt leider keine freie Couch und ich muss ein Hostel suchen. Ab morgen geht es dann Richtung Slowakei/Polen nach Norden (wobei ich noch überlege, erst spät loszutrampen). Das könnte ein beschwerliches wie zähes Wegstück werden, weshalb die Blogposts etwas rarer ausfallen dürften. Heute ist aber heute, deshalb rein ins Stadtgetümmel.

Das hier ist nicht Kuba, Herr Hemingway

Am Plattensee – über die Reise hierher ist einen Beitrag weiter unten zu lesen.

Stille Schönheit am Morgen

In bester Thomas-Mann-Manier bin ich heute morgen zum Ufer geeilt, um den Sonnenaufgang und die Ruhe zu genießen. Letztere entschädigt und bietet das Kontrastprogramm zu dem, was sonst hier geboten ist.

Vielleicht hätte ich mich vorher über die Uferorte und den See an sich schlau machen sollen. Bislang hatte ich nur gewusst, dass das Balaton das einstige DDR-Ferienmekka war und einfach nur traumhaft schön sein soll. Ich hatte also ein bisschen ungarische Fischerdorfidylle mit gemäßigtem Tourismus erwartet – so ungefähr, wie in den Flippers-Liedern über italienische Inseln und kleine Bötchen, nur eben mit südöstlichem Einschlag.

Am Ende des Sommers (Foto by me, CC, Share-Alike)

Als ich gestern Abend auf der Landstraße hierher lief, um ein Gefühl für die Gegend zu bekommen, schien auch alles noch in mein Bild zu passen. Wenig Verkehr, Felder bis zum Horizont und im ersten Dorf gleich ein Wassermelonen-Verkäufer, der entspannt sein Buch liest.

Ein Melonenmann am Wegesrand (Foto by me, CC, Share-Alike)

Doch schon beim genaueren Hinsehen zeigen sich Brüche im friedvoll anmutenden Ambiente. Schätzungsweise jedes fünfte Haus steht in den Ortschaften, durch die ich gekommen bin, zum Verkauf. Dass die Schilder auch eine deutsche Übersetzung haben, gibt mir einmal mehr auf dieser Reise das unheimliche Gefühl, dass die Wirtschaftsmacht meines Heimatlandes viel mehr Bereiche umfasst, als ich bislang angenommen hatte.

Als ich an einer Einfahrt „Feriendomizil von Susi und Ralf“ lese und im Hof Autos mit Recklinghäuser Kennzeichen stehen sehe, ahne ich, dass dieser Ort hier nichts mit dem aus meiner Vorstellung gemeinsam hat.

Wer kann hier widerstehen? (Foto by me, CC, Share-Alike)

Je näher ich dem Ufer komme, desto klarer wird: Das hier ist vor allem eine deutsche Ferienkolonie. Deutsche Hotelnamen (ich selbst residiere im Hotel „Sonnenschein“, da es keine Jugendherbergen gibt), Familienurlauber aus dem Sauerland, „Gulaschhütten“ und „Folkloreabende“ und nach 22 Uhr ein Nachtleben, das von überlautem Ballermann-Dancefloor und billigem Bier geprägt ist.

So ein Tag, so wunderschön... (Foto by me, all rights reserved)

Um die Hüttchen und Pavillons geistern immer wieder unter weiten T-Shirts versteckte Massebäuche zwischen 20 und 35, deren Besitzer sich im Hörtest als Landsmänner entpuppen. Ich bestelle mir in einem der Läden einen Wodka und überlege, wie sich wohl Bruce Chatwin oder Ernest Hemingway an diesem Ort fühlen würden, zwischen Kicker, billigem Alkohol und der Leere, mit der ein solcher Abend verrinnt.

Hemingway hätte wohl zumindest den Alkohol gemocht.

Tag 2: Zähe Fluchten

Was zuvor passierte... (Foto by me, CC, Share-Alike)

Ich sitze am Zimmerfenster und strecke meine Beine auf die Balustrade des kleinen Holzbalkons. Mein Blick geht nach Westen, dorthin, wo ich heute herkam und gerade die letzten Strahlen des Sonnenlichts in ein tiefdunkles Schwarz getaucht werden. Ein weiterer Tag, eine weitere Abfolge von kleinen Welten und Momenten, die ich bald vergessen habe, wenn ich sie nicht aufschreibe.

Unbezahlbar blöde Momente wie der Blick der Kassiererin im Spar von Ljubljana heute morgen, als sie sah, dass ich meine Äpfel nicht gewogen hatte und sie aus dem Supermarkt hinaus und zur Vordertür wieder rein musste, um das für mich nachzuholen, während hinter mir acht Menschen auf mich und mein blödes Obst warteten. Aber das nur am Rande. Beginnen wir lieber von vorne.

Ich will hier drauf! (Foto by me, CC, Share-Alike)

Nachdem die Reise von München nach Ljublajana praktisch an mir vorbeigeflogen war, ahne ich, dass es nicht so weitergehen kann. Und doch packt mich an der Auffahrt Richtung Maribor schon nach zehn Minuten die Ungeduld. Ob es an der Handy-am-Ohr-Quote liegt, die bei slowenischen Autofahrern gefühlt bei 50 Prozent liegt, dass ich nicht beachtet werde? Als ich gerade selber etwas in mein Schlautelefon tippen möchte, hält auch schon ein Mann mit seinem Sohn an. Auf der Fahrt stellt sich heraus, dass er Boris heißt (schon wieder ein Boris!) und deutsch spricht, weil er den Balkan-Vertrieb für deutsche Textilfirmen macht. Von ihm erfahre ich interessante Dinge über die slowenische Konjunktur (mies) und Bauwirtschaft (pleite) und sein Land (wunderbar, „eine Mischung aus Schweiz, Österreich und Italien“ preist er es an, und während wir durch die Waldtäler und an Hopfengärten vorbei fahren, kann ich nur zustimmen). Leider muss ich schon nach ca. 40 Kilometern aussteigen, weil er die Autobahn verlässt.

Nur fünf Minuten später hält ein lockerer Typ, windschnittige Sonnenbrille, Dreitagesbart, karierte Hose und natürlich das Handy am Ohr. Das legt er aber gleich weg und wir reden ein bisschen über die KuK-Monarchie, vor allem aber über Sport. „Kanada hat mehr Eishockeystadien als Slowenien Spieler hat – und trotzdem spielen beide bei der WM“, sagt er, lobt die slowenische und deutsche Fußball-Nationalmannschaft, disst Ballack („He’s a pig, to me“) und ärgert sich darüber, dass Slowenien so gute Basketball-Spieler hat, die aber offenbar keinen Bock haben. Er redet schnell und fuchtelt mit den Händen, zwischendurch zeigt er auf eine Internet-Adresse, die in Riesen-Lettern auf einer Hausfassade neben der Autobahn steht: „Mein Webshop“, sagt er stolz, „das Haus gehört einem Kumpel.“ Neben dem Webshop betreibt er übrigens auch noch eine Schweißerfirma.

Landleben im Schatten von Berg und Autobahn (by me, CC, Share-Alike)

Doch auch mein sportlicher Fahrer bringt mich nicht bis nach Maribor, weshalb ich mich am Kreisverkehr neben einer Weide wiederfinde. Im Abfall der Shell-Tankstelle ein paar Meter weiter finde ich Pappen, um mein Schild zu basteln. Nach zwanzig Minuten hält ein Taxifahrer an – und bringt mich doch glatt kostenlos nach Maribor auf eine Zubringerstraße zur A5. Ich bin begeistert von Slowenien!

Geduldsproben (Foto by me, alle Rechte vorbehalten)

90 Minuten später hat die Begeisterung spürbar nachgelassen. Ich stehe immer noch an diesem verdammten Zubringer, und obwohl die Autos zu Hunderten vorbeirasen, scheint niemand auf die A5 zu wollen. Ich stärke mich zwischendurch mit einer slowenischen Spezialität von der Tankstelle (Marshmellows mit Schokoglasur und Waffelboden) und grüble nach. Das ZEN des Trampens, das Gefühl, dass Zeit keine Rolle spielen darf, zwischendurch spüre ich es. Meist jedoch schreibe ich mein Schild um (A5 statt der Stadt, die auf dem Weg liegt), probiere es ohne Schild, mache komische Hüpfgesten, um Aufmerksamkeit zu erhaschen und laufe schließlich durch das Gewerbegebiet – schon wie in Salzburg Gewerbegebiet, das scheinen Tramperfallen zu sein – zur nächsten Auffahrt. Nach einer schieren Odyssee sitze ich um 16:30 Uhr, vier Stunden nach meiner Ankunft, im nächsten Auto und bin auf dem Weg nach Ungarn. Im Vorbeifahren sehe ich noch, dass Maribor ein schönes Städtchen am Fluss zu sein scheint. Die Zubringer fand ich allerdings persönlich nicht so ansprechend.

Natürlich schaffe ich es nicht komplett zur Grenze, dafür sorgt dann Zalko, ein Kroate, der ebenfalls deutsch spricht (er arbeitet als Zimmermann in Österreich), der tatsächlich eine Ausfahrt weiter fährt, um mich an einem Rasthof abzusetzen. Die ungarische Grenze ist in Sichtweite, doch irgendwie sind nur italienische Familien mit vollen Autos, ein paar Reisebusse und Trucker unterwegs. Nach etwa einer Stunde findet sich tatsächlich ein Fahrer – ein LKW-Führer aus Russland nimmt mich mit.

Die Grenze in Sichtweite (by me, alle Rechte vorbehalten)

Aleks – so heißt er – und ich können uns nicht wirklich verständigen, wir verstehen uns aber auch ohne Worte. Während in seiner Anlage ein Techno-Remix von Modern Talkings „Brother Louie“ läuft und Alekx rhythmisch mit seinen Händen aufs Lenkrad schlägt, rollen wir an den Weiten der ungarischen Mais- und Sonnenblumenfelder vorbei. Ich staune, bin einfach nur dankbar – und schäme mich ein bisschen: Vor der Abfahrt hatte ich tatsächlich das Nummernschild fotografiert, falls man mich einmal verschnürt in irgendeinem russischen Wald finden sollte (und meine SIM-Karte nicht verrotten sollte).

Brother Aleks (by me, Alle Rechte vorbehalten)

Aleks muss nach Budapest (was sich unter den Planen des LKWs befindet, finde ich nicht heraus), und als am Horizont die Quellwolken wie Pilze in den Abendhimmel drängen, ist unsere Fahrt bereits zu Ende. Der Plattensee schimmert in der Ferne, ich winke in Aleks‘ Rückspiegel und klettere dann vom Rastplatz auf eine Landstraßenbrücke und marschiere los. Ich bin nur wenige Kilometer vom Balaton entfernt, und das noch vor Sonnenuntergang.

Paradies in Sichtweite (Foto von mir, CC, Share-Alike)

Wie es weitergeht schreibe ich morgen früh auf, jetzt gehe ich erst einmal in guter journalistischer Tradition eine Bar suchen.