Tag 8: Reife und Ruhe

Tramper ohne Blog, dafür mit Schild (Alle Rechte vorbehalten)

Der Tag heute hatte viele Auf und Abs, doch das war nur der Rahmen dafür, dass die Reise nun eine etwas andere Bahn nimmt (im Bild übrigens Jan aus Tschechien, den ich an der Straße getroffen habe. Er ist auf dem Weg nach Finnland).

Ich bin inzwischen in Riga angelangt, und wenn man ein Ziel erreicht, verlieren die Mühen, um dorthin zu kommen, ziemlich an Bedeutung. An zwei Stellen musste ich heute lange warten: Zuerst am Ortsausgang von Suwalki, von wo mich nach anderthalb Stunden schließlich ein lettischer Mercedes-Fahrer bis ins litauische Kaunas mitnahm (und mich mitten auf dem Autobahnkreuz absetzte).

Mann mit Bart und Regenwolke über dem Kopf (Alle Rechte vorbehalten)

Dort kam es dann wiederum über 90 Minuten kein Fortkommen, da nur kurzhaarige Männer mit ihren blonden Frauen und/oder älteren Schwiegermüttern unterwegs waren. Bei einer Rest-Entfernung von 260 Kilometern bis Riga (und wir reden nicht von deutschen Autobahnkilometern) erfüllte mich ein bisschen Panik, bzw. eher Machtlosigkeit, weil als Alternative immer noch das Autobahn-Motel als Übernachtungsmöglichkeit hätte dienen können. Schließlich aber nahm mich um halb sechs abends (!) Dainis, ein lettischer Trucker, mit nach Bauska, von wo ich kurz vor Sonnenuntergang innerhalb von zehn Minuten wegkam, weil Andris (Psychologe im Marketing) mich aufgabelte.

Mini-Stopp in Bauska (CC,Attr-Share-Alike)

Dies die Kurzfassung meiner heutigen Route, doch es gibt noch eine andere Erkenntnis: Die wuchs bereits, als ich mich auf den Weg zum Ortsende von Sulwaki machte und dort wartete. Denn die Wege zur und entlang der Straße, die durch die Natur führen, sind mir bisher die schönsten Momente, die ich alleine verbringe. Jetzt, nach einer Woche und einer ziemlich gewaltigen Strecke, will ich von meiner Reise mehr als Kilometer mitnehmen und auch den Stresslevel etwas senken. Man könnte sagen, die nächste Bloggertramp-Phase beginnt.

Dass sie hier im Baltikum startet, ist kein Wunder: Von hier kommen nicht nur einige meiner Freunde, es ist auch der Ort, wo die Landschaft langsam skandinavischer, ruhiger, in sich gekehrter wird. Es sind oft keine Dörfer, sondern kleine Siedlungen oder einzelne Häuser, die dort in der Landschaft stehen. Manchmal spielt eine Mutter davor mit ihrem Kind, ein andernmal steht eine Kuh vorm Haus. Die Wiesen Litauens sind sowieso voller Kühe, im Laufe der Fahrt sind wir bestimmt an 20 Bauern vorbeigekommen, die gerade mit dem Melken beschäftigt waren. Ab und an stand auch ein Pferd regungslos auf der Weide, das Einzelgängertum dieser Tiere konnte mir aber niemand erklären (ebensowenig wie den Grund, weshalb Dainies‘ Navigationssystem Kuhlaute ausstößt).

Von oben herab (CC, Att-Share-Alike)

In diese Atmosphäre werde ich in den nächsten Tagen tiefer eintauchen. Morgen nachmittag trampe ich zwar Richtung Tallinn los, doch werde wahrscheinlich irgendwo in der Mitte in der Nähe der Ostsee Station machen, vielleicht sogar zelten. Das bedeutet, dass der ein oder andere Blogpost mal etwas dauern kann, aber das könnt Ihr ja verkraften.

Am Ende möchte ich noch ein paar Worte über meinen Couchsurfing-Gastgeber Marts verlieren. Marts baut zur Zeit seine Wohnung um, in der er mit seiner Freundin und drei Kindern am Rande Rigas lebt. Das hat ihn ebensowenig wie die Auswirkung der schwierigen Wirtschaftslage Lettlands nicht daran gehindert, seit Juni 15 Gäste zu empfangen.

Wir sind beide 31, doch komme ich mir mit meinem Sturz-in-den-Tag-Projekt Bloggertramp im Vergleich beinahe wie ein Teenager vor. Marts‘  Ruhe, Verortung werde ich auf der Straße nicht finden – aber Menschen zu treffen, die sie ausstrahlen, gehört zu den vielen Geschenken, die ich unterwegs schon erhalten habe.

Sonntagabend statt Tatort (AlleRechte vorbehalten)

Am Ende noch eine kurze Info: Ben war dankenswerterweise so nett, und hat eine Google Map zu meiner Route erstellt. Ab morgen auch hier in der Navi zu finden.

2 Gedanken zu „Tag 8: Reife und Ruhe

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